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» referat/Schön, dass wir mal drüber geredet haben?! – Zur Debatte um den Nachbau der Garnisonkirche



Für Nachfragen hat eine Zeitung gesorgt, deren Druck wir als AStA jüngst gefördert haben: Die „Sonderausgabe“ der „Potsdamer Allgemeinen“, eine Zeitung anlässlich des 80jährigen „Jubiläums“ des Tages von Potsdam, die sich gegen den Wiederaufbau, oder vielmehr den Nachbau der preussischen Garnisonkirche richtet.
Es lohnt sich für alle Menschen, gleich welche Meinung sie jetzt schon zu dem Vorhaben, die Kirche nachzubauen, haben mögen, einen Blick in diese Zeitung zu werfen. Denn es wird dort deutlich, dass es eben nicht nur der „Tag von Potsdam“ war, der die Garnisonkirche in einem fragwürdigen Licht erscheinen lässt.
Nicht von ungefähr sagte damals der in der Zeitung zitierte Friedrich Bestehorn: „Es gibt im ganzen Preußen-Deutschland nur einen Ort, an dem der 1. Reichstag des nationalsozialistischen Staates eröffnet werden kann, nämlich die Garnisonkirche in Potsdam.“ Und es genügt tatsächlich schon ein kurzer Blick in ein allseits bekanntes offenes Lexikon, um zu erfahren, dass die Garnisonkirche „über die Abschaffung der Monarchie im Jahre 1918 hinaus eine Stätte der Verehrung Preußens und seines Königtums“ war.

Natürlich war sie das, schließlich waren in ihr auch die alten Preussenherrscher Friedrich Wilhelm I. („der Soldatenkönig“) und Friedrich II („der Große“) beigesetzt. Und welche Seite Preussens war es, die sich in der Garnisonkirche „verehren“ ließ, welche düstere Seite! Bekanntermaßen militarisierte der „Soldatenkönig“ Preussen umfassend: Die Begrenzung der Dienstzeit wurde aufgehoben, der Adel zur Militärpflicht gezwungen.
Kriege zu führen wurde jedoch erst Beschäftigung des Sohnes, Friedrich II., und zwar aus niedersten Beweggründen: „Der Ehrgeiz, mein Vorteil, der Wunsch mir einen Namen zu machen, gaben den Ausschlag, und der Krieg war beschlossen.“
Es wird gern übersehen, dass Kriege schon damals grausam waren, dass ein Bajonett im Bauch nicht angenehmer war als das Eingeschlossensein im Luftschutzkeller und vor allem auch, dass wir hier über eine Zeit reden, in der weder Herrscher(innen) noch ihre Kriege nach den „Standards“ legitimiert waren, die wir heute für erstrebenswert halten – und nach heutigem „Standard“, also der Charta der Vereinten Nationen, sind Kriege grundsätzlich völkerrechtswidrig.

Doch auch äußerlich war die Kirche fragwürdig: Sie war eine Militärkirche, „geschmückt“ mit Hellebarden und Kanonen, flammenden Bündeln (einst zur Brandstiftung über feindliche Mauern geworfen), Schilden, Helmen und Schwertern, kurzum: Ein steinernes Kriegsgemälde. „Nur“ der Schrecken des Krieges, der war nicht zu sehen.
Und im Inneren war sie nicht nur Königsgrab, sondern auch Aufbewahrungsort für erbeutete Fahnen und Insignien; ein Ort des Hohns für die militärisch geschlagenen Staaten; ein Ort der, würde er heute so genutzt – in Zeiten wo „Völkerverständigung“ einen Wert beschreibt der auch in der Bundes- und der Landesverfassung betont wird – einen internationalen Skandal bedeuten würde.
Was ist das für ein Symbol, dass da nun erneut errichtet werden soll?

Was langfristig von der Gedenkkultur in Potsdam bleibt, können wir nicht wissen. Das „Toleranzedikt“ kann auch wieder aus dem „Stadtgespräch“ verschwinden, eine nachgebaute Militärkirche aber bleibt stehen, für Jahrzehnte, Jahrhunderte gar.
Natürlich, ein Ort an dem wir aus der militaristischen Vergangenheit (und Gegenwart) Potsdams lernen können ist sicherlich ein wichtiger Ort für diese Stadt – aber ein Ort, der zur Huldigung des Militärs errichtet wurde, kann diese Rolle wohl kaum erfüllen.

Nichts spricht jedoch dagegen, an Stelle der Garnisonkirche Räume zu errichten, die die Stadt wirklich braucht, sozialen Wohnraum beispielsweise, und dabei in Form und Aussehen vermittels der groben Form, mit Hilfe eines Turmes und einer Art „Kirchenschiff“, an die einstige Kirche zu erinnern. Die Residenz „Heilig-Geist-Park“ macht vor, wie das geht.

Derzeit jedoch ist ein anderer Umgang mit der Vergangenheit zu beobachten, einer, wie er beispielsweise auch im militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden zu beobachten ist: Dort wird durchaus kritisch mit dem Thema „Krieg“ umgegangen; so sollen zum Beispiel nächstes Jahr zum Gedenken an den Ausbruch des 1. Weltkrieges 100 Jahre zuvor 18000 menschenförmige Plätzchen zum Verzehr ausgestellt werden, um auszudrücken, „was für eine Verschwendung Krieg ist“. Eine solche Aussage, wohlgemerkt, in einem Museum der Bundeswehr: Wir reden mal drüber, wir sehen das kritisch – aber wir machen trotzdem einfach weiter.
Übertragen auf die Garnisonkirche bedeutet das: Wir verzichten auf das Militärische im Inneren der Kirche und so wird dann „klargestellt, dass es sich nicht mehr um eine Militärkirche handelt.“
Prägend ist doch aber das Äußere und das ist offenbar militärisch genug, wenn die evangelische Militärseelsorge die größte Stifterin in der Stiftung Garnisonkirche Potsdam ist.

Nein, Potsdam braucht keine Militärkirche. Potsdam braucht sozialen Wohnraum; und damit sind wir auch wieder bei den Nachfragen, die unsere Beteiligung als Studierendenausschuss an der besagten Zeitung ausgelöst hatte: Hauptfrage war ja auch, wie wir denn Geld für ein solches Thema fern studentischer Belange ausgeben könnten.
Fern studentischer Belange? Mitnichten! In einer Stadt, wo der Bürgermeister angehenden Studierenden zurufen muss, dass selbst Professoren Schwierigkeiten hätten, eine Wohnung zu finden; in einer Stadt, wo Mieten trotz Mietbremse unaufhaltsam steigen; in einer solchen Stadt müssen wir uns natürlich zu Wort melden, wenn andererseits Schloss und Militärkirche nachgebaut werden (sollen), wenn dazu öffentliche Gelder ausgegeben und Platz, an dem es so sehr mangelt in der Stadt, verschenkt wird oder wenn erschwinglicher Wohnraum, der nicht in das historisierende Konzept passt, einfach abgerissen werden soll.
Dieser Widerspruch – kein Geld für sozialen Wohnraum, aber für fragwürdige Prunkbauten – ist offensichtlich; das Problem des Wohnraums bedrückt immer mehr Menschen in dieser Stadt: Nicht zuletzt deshalb die Prominenz der Ablehnung der Kirche im Bürgerhaushalt. Hier wurde sichtbar, dass es dem Nachbau der Garnisonkirche an Legitimation mangelt.
Dem möchten wir uns ausdrücklich anschließen: Ein Nachbau der Garnisonkirche entspricht weder studentischen Interessen noch den realen Bedürfnissen der (meisten) Menschen in Potsdam.

Übrigens: Gleichzeitig in der Kritik stand die Förderung der Veranstaltungsreihe „Vom Tag in die Nacht von Potsdam„, die sich in ganz verschiedener Weise (vom Vortrag über Kabarett bis hin zum Film) mit Preußen und dem Nationalsozialismus auseinandersetzt(e). Gerade in der vielfältigen Form – ebenso wie die „Potsdamer Allgemeine“ übrigens – ein wunderbares Beispiel für politische Bildung und schon allein deshalb empfehlenswert. 3 Veranstaltungen finden noch statt.

Armin Olunczek  [6. April 2013]

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