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Es ist der 4. Oktober 2017, der Tag der freien Vergabe im Studentenwerk Potsdam. An diesem Datum werden ab 8 Uhr alle Zimmer in den Wohnanlagen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vertraglich gebunden sind, an interessierte und wohnberechtigte Studierende vermietet. Lange Warteschlangen, Schlafsäcke und Lunchpakete sind hier keine Seltenheit. Junge Studierende übernachten vor dem Studentenwerk, um bei Vorlesungsstart nicht ohne Dach über dem Kopf dazustehen.  Doch nicht alle haben Glück. Viele Studierende suchen auch nach Vorlesungsbeginn verzweifelt nach einer festen Bleibe. Studierende, die sich Potsdam als Studienort ausgesucht haben, die hier hergekommen sind zum Leben, zum Lernen, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Bezahlbarer Wohnraum bleibt ihnen bis heute verwehrt. Wir, der AStA der Universität Potsdam, der Fachhochschule Potsdam und der Film Uni, setzten uns für mehr bezahlbaren Wohnraum in Potsdam ein. Mit der Kampagne „Unter Dach und Fach“ setzen wir ein Zeichen.

Studierende unter Dach und Fach!-Initiative für mehr studentischen Wohnraum in Potsdam 

Zwischen Obdachlosigkeit und überteuerten Wohnungsmarkt 

Seit Jahren steigt die Zahl der Studierenden in Deutschland. Mit über 2,8 Mio. Student*innen erreichen wir dieses Jahr ein neues Rekordniveau, in Brandenburg sind es rund 50 000. Trotz dieser Entwicklung geht die Zahl der Wohnheimplätze nicht nach oben. Diese „Schere“ zwischen steigender Studierendenzahl und gleichbleibenden Rahmenbedingungen geht immer weiter auseinander.

Das Studentenwerk Potsdam kennt keine freien Zimmer, nur viele Anfragen und lange Wartelisten.

Unterdurchschnittliche 8,9% der Studierenden kann das Werk mit Wohnungen versorgen. Wer hier einen Platz bekommt, der zahlt durchschnittlich 237 Euro Miete, was im Rahmen der BAföG-Wohnpauschale liegt. Der Rest darf den schweren Kampf auf dem überfüllten freien Wohnungsmarkt aufnehmen. Bezahlbarer Wohnraum ist hier sehr knapp.  Wohnungssuchende erwarten hohe Kautionen, Bürgschaften und Mieten, die Studierende nicht ohne Hilfe tragen können. Privatanbieter, die von der angespannten Wohnsituation stark profitieren, sind meist die letzte Möglichkeit. Unternehmen wie Youniq und Base-Camp bauen in Vereinbarung mit der Stadt Wohnungen. Doch mit Mieten ab 500 Euro werden diese dem Begriff „Studentenwohnung“ nicht gerecht! Hinzu kommt ein steigendes Angebot an möblierten Zimmern. Hier ist ein nicht festgeschriebener Aufschlag für die Möbel möglich, der die Mieten weiter hebt.

Teuer Wohnen bedeutet für Studierende, sich im Leben und im Studium einzuschränken

Das Problem beginnt bei der Ortswahl: Nur Wenigen ist vor dem Studium klar, wie die Bedingungen in Potsdam aussehen. Deswegen müssen Viele das Studium in den Anfangssemestern sogar abbrechen. Wenn das Einkommen nicht über den Studienort entscheiden soll, heißt es Kompromisse machen: Manche Studierende wohnen dann nicht in Potsdam, nehmen weite Fahrtwege in Kauf oder bleiben bei den Eltern und verzichten somit auf ihre Selbstständigkeit. Diejenigen, die sich auf die hohen Mieten einlassen, nehmen andere Einschränkungen in Kauf. Viele müssen neben dem Studium Arbeit gehen, was häufig zur Überschreitung der Regelstudienzeit führt. Einschränkungen, die wir so nicht akzeptieren!

Wie sieht die finanzielle Situation von Studierenden eigentlich aus?

Für eine Wohnung auf dem aktuellen Wohnungsmarkt in Potsdam zahlen Studierende rund 450 Euro. Legt man den BAföG-Höchstsatz von 735 Euro (für nicht familienversicherte Studierende) zu Grunde, bedeutet das, dass mehr als die Hälfte des Einkommens für das Wohnen „verpufft“. Nach den etablierten Richtlinien  sollte die Wohnung aber eigentlich nur ein Drittel des Einkommens kosten. Außerdem liegt die bundesweite BAföG-Wohnpauschale bei nur 250 Euro. Die Wohnrealität für Studierende sieht leider anders aus. Die Preise für WG-Zimmer liegen bei 300 Euro oder mehr, Tendenz: steigend. Von den übrigen 285 Euro, gehen erneut 47 Euro monatlich für die Studiengebühren (293 Euro pro Semester-6 Monate) ab. Hinzu kommen die Versicherungen und ggf. GEZ-Gebühren (17 Euro/Monat) für Studierende, die kein BAföG erhalten. Vom Rest müssen sie sich verpflegen und leben. Wie soll das möglich sein? Soziale und kulturelle Teilhabe leiden darunter zwangsläufig.

Die Forderungen der Initiative

So wie der Potsdamer Wohnungsmarkt heute organisiert ist, ist er nicht gerecht. Wir fordern mehr bezahlbaren Wohnraum für Studierende in Potsdam.

Bezahlbarer Wohnraum ist eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. Wir setzen uns für mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit für Studierende beim Wohnen ein.

Was müsste sich ändern?

  • Einen HochschulSOZIALpakt 

Seit vielen Jahren gibt es einen Hochschulpakt, eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern. Dieser stellt zusätzliche Mittel für Lehre und Forschung bereit. Soziale Rahmenbedingungen berücksichtigt der Pakt bisher nicht. Die Förderung mehr Studierender bedeutet auch die Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen. Analog muss es einen HochschulSOZIALpakt geben. Die Studierendenschaften Potsdams fordern, dass nicht nur viele Menschen studieren können, sondern, dass sie auch gut studieren können. Deshalb unterstützen wir die bundesweite Kampagne des Deutschen Studentenwerks- „Kopf braucht Dach“.

  • Mehr Investitionen vom Land 

Langfristig brauchen wir mehr Wohnungen für Studierende in Potsdam. Diese sollten unbedingt durch gemeinnützige, nicht profitorientierte Anbieter bereitgestellt werden. Solch ein Anbieter ist das Studentenwerk.

Die Studentenwerke haben den Auftrag vom Land bekommen, die Studierenden zu versorgen. Dem können sie nur nachkommen, wenn ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. An der Seite des Studentenwerks fordern wir 20 Mio. Euro für Neubauten und 15 Mio. Euro für Sanierungen in Potsdam. Außerdem fordern wir, dass aus Seiten des Landes mehr Flächen für den Bau von Studierendenwohnheimen zur Verfügung gestellt werden.

  • Festhalten an den bestehenden Studierendenwohnheime

Die Studierendenwohnheime am Neuen Palais, an der Breiten Straße und im Park Babelsberg sind in einem schlechten Zustand und ihr Erhalt ist Gefährdet. Wir fordern eine klare Positionierung der Politik dahingehend, dass an den bestehenden Studierendenwohnungen festgehalten und die Sanierung sichergestellt wird.

  • Ein explizites Förderprogramm für Studentischen Wohnraum

Studentischer und sozialer Wohnraum dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden! Es ist klar, dass wenn wir über bezahlbaren Wohnraum reden, es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Wir fordern bezahlbaren Wohnraum für Alle. Außerdem fordern wir, dass der Begriff „Studentisches Wohnen“ endlich juristisch geschützt wird. Einzelzimmer der Privatanbieter für 500 Euro dürfen nicht mehr unter diesem Titel angeboten werden. Außerdem benötigt es klare Richtlinien zum Bau studentischer Wohnungen. Die Zuständigkeit für das Studentische Wohnen liegt beim Land, welches sich bei Neubauten mit mindestens 50% Förderung je Platz beteiligen muss. Wir fordern hier eine stärkere Positionierung der Politik, sowie eine klare Regulierung und dauerhafte Programme, damit die Situation sich endlich verbessert.

  • Eine Standortbezogene Erhöhung des Versorgungsgrades

Der landesweite durchschnittliche Vergleich der Versorgungsquoten ist ein Problem für Potsdam. Verantwortliche argumentieren mit der guten Versorgungsquote in Brandenburg. So liege diese mit 13,7% klar über dem deutschen Durchschnitt. Hierauf wird sich ausgeruht, doch in jeder Stadt muss individuell geprüft werden. So sind 22 Prozent in Frankfurt/Oder viel, unter 9 Prozent in Potsdam, mit Blick auf die angespannte Wohnungslage, jedoch zu wenig. Wir fordern eine standortbezogene Erhöhung in Potsdam. Das brandenburgische Umland kann nicht als Argument dafür dienen, die Versorgungsquote unter den angespannten Verhältnissen in Potsdam nicht zu erhöhen. Außerdem fordern wir eine 20-Prozent-Quote je Standort.

  • Keine Konkurrenz von Landes- und Bundesförderprogrammen

Bislang untersagt das Land dem Studentenwerk, an Bundesförderprogrammen zum studentischen Wohnen teilzunehmen. Die Zuschüsse, die es hier erwirbt, werden von der finanziellen Unterstützung des Landes abgezogen. Wir benötigen dringend eine Lockerung dieses Gesetzes. Dem Studentenwerk muss es möglich sein, zusätzliche Mittel vom Bund zu erhalten, ohne dafür auf Landesmittel verzichten zu müssen.

  • Flexible Darlehensaufnahmen für das Studentenwerk

Wir fordern eine flexible Darlehensaufnahme, welche dem Studentenwerk erlaubt, auch unabhängig vom Land flexibel zu wirtschaften. Wegen des Sozialauftrags muss es dem Studentenwerk möglich sein, bessere Konditionen als die des Standarddarlehen zu erwerben. Auch eine flexible Zukunftsplanung muss dem Studentenwerk ermöglicht werden.

Aufruf

Lasst uns gemeinsam etwas gegen die katastrophale Situation tun und unsere Forderungen auf allen Ebenen platzieren.

Am 05.06.2018 um 18 Uhr findet im Bildungsforum (Eingang rechts neben der Bibliothek 4. Etage) eine Podiumsdiskussion zum Thema statt, bei der wir auf eure Unterstützung angewiesen sind.

Hierbei sollen die Studierende im Fokus stehen und die Möglichkeit haben, viele Fragen zu stellen. Lasst uns gemeinsam Druck auf die Verantwortlichen ausüben und die Situation ein Stück besser machen.

Gemeinsam sind wir stärker!

Willi Stieger

Sozialreferent des AStAs der Uni Potsdam

 

Willi Stieger  [14. Mai 2018]

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