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» presse/Landtag braucht Hilfe beim Hochschulgesetz



P R E S S E M I T T E I L U N G des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Universität Potsdam
Potsdam, den 20.02.2014

Nach Kunsts enttäuschendem Ministerialentwurf: Landtag braucht Hilfe
Öffentliche Sitzung zur Hochschulgesetznovelle von Kundgebung begleitet
Bezüglich der Neuregelung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG) sehen Studierende und Lehrende weiter Änderungsbedarf. Dies wurde am vergangenen Mittwoch bei einer Anhörung im Landtag und der vorangegangenen Kundgebung deutlich.
Die Forderungen betreffen neben der Stärkung des Teilzeitstudiums(1), dem Ermöglichen einer vorläufigen Immatrikulation und der Abschaffung der Zwangsexmatrikulation(2), vor allem eine freie Masterzulassung(3) – aber auch eine Gebührenreform(4), eine Zivilklausel(5) und bessere Beschäftigungsverhältnissen für Lehrbeauftragte(6).
Der Sprecher der Brandenburgischen Studierendenvertretung (BrandStuVe), Daniel Sittler, wies in seinem Redebeitrag mehrfach darauf hin, dass der derzeitige Gesetzesentwurf keinerlei Verbesserung an der Lebens- und Studienrealität der meisten, aber vor allem sozial benachteiligter Studierender, mit sich bringe.
Dem Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur (AWFK) legte er bei der Anhörung fertig ausgearbeitete Lösungsvorschläge zur derzeitigen Gesetzesvorlage vor, die den genannten Forderungen gerecht und die sozialen Belange der Studierenden verbessern würden.
(1) Teilzeitstudium
Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht der Studierendenschaften die Ermöglichung eines Teilzeitstudiums in allen Fächern logische Konsequenz. „Schon heute schaffen es keine 40% aller Brandenburger Studierenden, ihr Studium in Regelstudienzeit zu absolvieren. Die Gründe hierfür sind häufig unzulängliche Rahmenbedingen der Hochschulen und massive soziale Hürden während der gesamten Studiendauer.“ erklärt Marei Frener, AStA-Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. „Es ist höchste Zeit, den Weg frei zu machen für eine flexible Anpassung des Studiums an die individuellen Lebensumstände der Studierenden. Neben einem Zwangsexmatrikulationsverbot ist das flächendeckende Angebort für ein Teilzeitstudium einer der besten Ansätze zur Lösung der sozialen Probleme von Studierenden.“
(2) Vorläufige Immatrikulation; Zwangsexmatrikulation
Studierende dürfen nicht für die Versäumnisse der Hochschulverwaltungen zur Rechenschaft gezogen werden. Es muss daher eine vorläufige Immatrikulation in Masterstudiengänge ermöglicht werden, da die zuständigen Hochschulen häufig das Bachelorzeugnis viel zu spät nach erfolgreichem Bachelorabschluss liefern.
Ebenso muss die Zwangsexmatrikulation – immerhin ein CDU-Überbleibsel von Frau Wanka – endlich wieder abgeschafft werden. Faktisch werden sonst vor allem sozial benachteiligte und werktätige Studierende per Zwangsexmatrikulation für die schlechten Lehr- und Lerngegebenheiten auch noch bestraft.
(3) Freier Masterzugang
Mehrfach schon musste das Verwaltungsgericht Potsdam gesetzeswidrige  Zugangsbeschränkungen zum Master wieder aufheben. „Nach diesen Erfahrungen des  Missbrauchs der sogenannten ‚fachbezogenen Zugangsvoraussetzungen‘ ist es nun am Gesetzgeber, diese Zugangshürden zu streichen. Wenn man sich erst einen Anwalt leisten muss, um in Brandenburg einen Masterstudienplatz zu bekommen, ist eine massive Verschärfung sozialer Ungerechtigkeiten im Bildungssystem vorprogrammiert.“, warnt AStA-Prüfungsrechtsberater Matthias Wernicke.
Studierende, welche keinen Platz in einem Masterstudiengang bekommen, werden an der Ausübung ihres angestrebten Berufs gehindert.
In Brandenburg streben mitterweile vier Fünftel der Bachelor-Studierenden einen Master an – auch weil die Realität gezeigt hat, dass in vielen Tätigkeitsfeldern der höhere Abschluss gefordert wird.
(4) Gebühren
Die verfassungswidrige Rückmeldgebühr von 51 Euro nach den deutlichen Urteilen aus Berlin und Karlsruhe jetzt nicht abzuschaffen, wäre nicht nur das Eingeständnis von Studiengebühren unter Rot-Rot, sondern auch die Auflastung noch höhrerer Rückzahlungsansprüche an die Hochschul- und Landeshaushalte der nächsten Jahre.„, fasst AStA-Finanzreferent Alexander Gayko die Position der Studierenden zusammen.
(5) Zivilklausel
Die Einführung einer Zivilklausel im Gesetz, beispielsweise nach niedersächsischem Vorbild, ist seit langem Forderung von Brandenburgs Studierendenvertretungen. Mit der nun vorgeschlagenen Ethikkommission versucht das Ministerium ein Entgegenkommen zu suggerieren. Die Zahnlosigkeit der Kommission wird dabei leider wenig diskutiert. In der Debatte ging es bislang hauptsächlich um organisatorische Fragen wie den Sitzungsturnus. Inhaltlich wurde bei der gestrigen Sitzung erneut deutlich, wie wenig Verständnis für das Thema vorhanden ist: Ein Sachkundiger stellte die Sinnhaftigkeit einer Zivilklausel infrage, indem er mit Automotoren in Kampfjets argumentierte…
(6) Lehrbeauftragte
Auch §58, in dem der Umgangs mit Lehrbeauftragten gereglt werden soll, löst weiterhin Unmut in weiten Teilen der Hochschullandschaft aus. Eine Verbesserung der höchst prekären Verhältnisse dieser Statusgruppe ist mit dem jetzigen Entwurf keineswegs zu erwarten. Die Hochschulen sind strukturell angewiesen auf die Leistung, welche durch die Lehrbeauftragten erbracht wird. Gleichzeitig besteht eine große Abhängigkeit der Lehrenden von der Hochschule, wenn sie eine wissenschaftliche Laufbahn verfolgen. So entsteht Lehre zum Dumpingpreis. Es ist nun die Verantwortung des Landtags, junge Wissenschaftlerinnen vor weiterer Ausbeutung zu schützen und für eine faire Bezahlung ihrer exzellenten Arbeit zu sorgen.
Paul Möller, Referent für Hochschulpolitik des AStA, zeigt sich derweil irritiert über die Vorstellungen des Ministeriums betreffend der zukünftigen Hochschulfinanzierung. „Die Tatsache, dass Frau Kunst und Co. erst jetzt realisieren, dass eine Gesetzesnovelle für die Hochschulen zusätzliche Kosten verursacht, ist gelinde gesagt überraschend. Man kann sich durchaus fragen, womit diese Menschen eigentlich ihre Zeit verbringen.“ Das Wichtigste sei jedoch, dass sich das Land nun seiner Verantwortung bewusst werde: „Die Pläne zur Hochschulfinanzierung müssen dringend korrigiert werden.“.
Der AWFK hatte zu seiner öffentlichen Sitzung Sachkundige der verschiedenen Statusgruppen eingeladen, um strittige Punkte im entsprechenden Gesetzesentwurf zu diskutieren. Neben Daniel Sittler für die BrandStuVe waren unter anderem Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen der Universität Potsdam vertreten.
Zur Kundgebung hatten – neben der Landesarbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Beschäftigten und Lehrbeauftragten in Brandenburg (LAG WLB) – Studierendenvertretungen und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aufgerufen.
Im Januar hatte das Kabinett den Entwurf für das Gesetz vorgelegt, welches noch vor der Landtagswahl vom rot-roten Landtag beschlossen werden soll.
Wie ernst es die Parteien SPD und LINKE mit ihren Wahlkampfversprechen und der Bilungsgerechtigkeit wirklich meinen, wird sich spätestens an ihren Änderungsanträgen zur nächsten Lesung des neuen Hochschulgesetzes zeigen – Formulierungsvorschläge dazu von Lehrenden und Studierenden liegen den Abgeordneten bereits seit Längerem vor.

Marei Frener  [20. Februar 2014]

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